Praktische Neuerungen aus der Rechtsprechung zum Handelsrecht
Mit jedem Jahr kommen viele Änderungen auf Unternehmer zu - sowohl in der Fassung der Gesetzestexte, als auch in ihrer Auslegung. Es ist nicht einfach für die Unternehmer, die Änderungen der Gesetzesauslegung mit zu verfolgen. Einige dieser Änderungen sollten allerdings nicht außer Acht gelassen werden. Daher stellt sich die Frage: Welche sind die wichtigsten und interessantesten Änderungen dieses Jahres für die Geschäftspraxis der deutschen und tschechischen Unternehmer in Tschechien?
Kein Gewinn ohne rechtzeitige Bilanzgenehmigung?
Zum Ende des Vorjahres hat der Oberste Gerichtshof einen bedeutenden Beschluss gefasst, der sich auf die bisherige Praxis der Gewinnverwendung von Handelsgesellschaften auswirkt. Nunmehr ist die Gewinnverwendung nur noch aufgrund eines Rechnungsabschlusses zulässig. Wenn die gesetzliche sechsmonatige Frist für die Genehmigung des ordentlichen Jahresabschlusses bereits abgelaufen ist, wird die Gewinnverwendung ohne außerordentlichen Rechnungsabschluss unzulässig. Dies betrifft nicht nur Aktionäre und Gesellschafter, die Ansprüche auf Gewinnanteile geltend machen, sondern auch das statutarische Organ, das den Gewinn nicht einmal dann ausschütten darf, wenn die Gewinnverwendung von der Gesellschafterversammlung genehmigt und die Gültigkeit dieser Entscheidung nicht angefochten wurde. Sollte das statutarische Organ die Gewinnausschüttung trotzdem vornehmen, haftet es für den unberechtigt ausgeschütteten Gewinn mit seinem eigenen Vermögen.
Es ist fraglich, inwiefern der Beschluss pauschal auf die übliche Geschäftspraxis bezogen werden darf. Nicht selten werden nämlich Entscheidungen erlassen, durch die der Jahresabschluss festgestellt und über die Gewinnausschüttung an die Gesellschafter erst nach Ablauf der sechsmonatigen Frist entschieden wird. Dennoch ist es ratsam, die Geschäftshandlungen an diesen Beschluss anzupassen, um das Risiko einer Anfechtung von Entscheidungen der Gewinnausschüttung seitens Dritter zu minimieren - z.B. durch Gläubiger der Gesellschaft im Fall einer Insolvenz. Bei „gesunden" Gesellschaften, welche die gesetzlichen Bedingungen für die Gewinnverwendung erfüllen, ist das Risiko einer solchen Anfechtung relativ gering.
Turbulenzen beim Schiedsverfahren
Großes Aufsehen im Bereich des Schiedsverfahrens erregte die Veröffentlichung eines Beschlusses des Obergerichts Prag in der Sammlung der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs; das Obergericht Prag hat hierbei die Schiedsklausel der sog. Schiedszentren für unwirksam erklärt, obwohl der Oberste Gerichtshof vorher deren Tätigkeit genehmigt hatte. In letzter Zeit entstanden in der Tschechischen Republik viele Schiedszentren, die ähnliche Dienstleistungen anbieten wie das gesetzlich geschaffene Schiedsgericht bei der Wirtschaftskammer und der Agrarkammer der Tschechischen Republik. Diese „Schiedsgerichte" funktionieren in der Regel als Handelsgesellschaften und erlassen eigene Schiedsrichterverzeichnisse sowie Schiedsordnungen, obwohl dazu nur die gesetzlich errichteten Schiedsgerichte berechtigt sind.
Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftspraxis haben. Unternehmer, die die Schiedsklausel für diese neuen Schiedszentren ohne direkte Bestimmung des Schiedsrichters angewendet haben, müssen wegen Gesetzesumgehung mit der Unwirksamkeit der Klausel rechnen. Dies ist dann der Fall wenn sie sich auf durch Dritte festgesetzte Statute und Ordnungen für die Bestellung und Auswahl von Schiedsrichtern sowie auf die Form der Führung des Schiedsverfahrens und die Festsetzung der Regeln über die Verfahrenskosten berufen haben. Ein solcher Schiedsspruch kann dann eventuell von tschechischen Gerichten für unwirksam erklärt werden und die Parteien müssten ihre Rechte gerichtlich einfordern.
Auch in Verbraucherverträgen sollte die Schiedsklausel nur sehr vorsichtig verwendet werden. So beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof in einem Urteil Ende 2009 mit der „Unverhältnismäßigkeit" der Schiedsklausel in Verbraucherverträgen im Rahmen einer Vorabentscheidungsfrage eines spanischen Gerichts. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die tschechischen Gerichte, ähnlich wie z. B. die spanischen, langfristig eine eurokonforme Rechtsprechung annehmen und so die Schiedsklausel in Tschechien als unlauter (missbräuchlich) und daher unwirksam erachten könnten.
Ein weiterer Beschluss, der gegen den Einsatz des Schiedsverfahrens spricht, stammte Ende 2009 vom Obersten Gerichtshof. Demnach kann der Schiedsspruch nicht aufgehoben werden, selbst wenn er im Widerspruch zur tatsächlichen Feststellung oder aufgrund einer falschen rechtlichen Beurteilung der Sache oder gar sittenwidrig erlassen wurde. Die Unternehmer müssen nämlich im Falle der Wahl des Schiedsverfahrens akzeptieren, dass sie faktisch keine Verteidigungsmöglichkeit gegen eventuell übertriebene Entscheidungen der Schiedsrichter haben - auch wenn diese im Widerspruch zu dem Sachverhalt und der rechtlichen Beurteilung stehen.
Schadenshaftung der Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder
Die Mitglieder des statutarischen Organs haften gegenüber der Gesellschaft für den durch die Verletzung ihrer Pflichten entstandenen Schaden. Dazu gehört auch die kaufmännische Sorgfaltspflicht. Darüber hinaus haften sie laut Gesetz gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, wenn sie den der Gesellschaft zugefügten Schaden nicht ersetzt haben.
Dem Obersten Gerichtshof zufolge ist die Feststellung der Höhe eines solchen Schadens eindeutig, wenn die Forderung des Gläubigers entstand, nachdem das statutarische Organ der Gesellschaft oder eines seiner Mitglieder mit der Erfüllung seiner Pflichten im Verzug war: Der Schaden entspricht dann der Differenz zwischen dem ausstehenden Betrag, den die Gesellschaft dem Gläubiger schuldet und dem Betrag, den der Gläubiger zuletzt im Insolvenzverfahren zur Begleichung dieser Forderung erhalten hat.
Ebenso wurden Unklarheiten hinsichtlich der Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch gegenüber dem statutarischen Organ beseitigt. Die Verjährungsfrist von vier Jahren setzt erst ab dem Zeitpunkt ein, zu dem die zur Anklageerhebung berechtigte Person Kenntnis von der Entstehung des Schadens erlangt hat oder erlangen konnte. In Gesellschaften, die nur einen Geschäftsführer haben, oder in denen alle Gesellschafter mitverantwortlich für die Entstehung des Schadens sind, gilt dies, sofern der zur Anklageerhebung berechtigte Gesellschafter Kenntnis von der Entstehung des Schadens hatte oder erlangen konnte. Im Fall, dass dieser Gesellschafter gleichzeitig Geschäftsführer der Gesellschaft ist oder diese im Schadensersatzverfahren durch eine Person vertreten werden sollte, deren Interessen im Widerspruch zu den Interessen der Gesellschaft stehen, beginnt die Verjährungsfrist mit dem Tag, an dem diejenige Person über den Schaden sowie den Schadensersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat oder erlangen konnte, die zur Anklageerhebung gegenüber dem Geschäftsführer der Gesellschaft berechtigt ist (z.B. ein neuer Gesellschafter oder Geschäftsführer der Gesellschaft). Die Verjährungsfrist endet jedoch spätestens nach Ablauf von zehn Jahren ab dem Tag, an dem die Pflicht verletzt wurde.
Wie sollen Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder im Falle ungewöhnlicher Forderungen seitens der Gesellschafter oder Aktionäre vorgehen? Der Oberste Gerichtshof gibt sich nicht mit der Behauptung zufrieden, das Verhalten wäre „in Übereinstimmung mit den Weisungen des Firmeninhabers und des alleinigen Gesellschafters erfolgt", sondern besteht unbedingt darauf, dass eine solche Weisung in Form einer Entscheidung der Gesellschafterversammlung und in Übereinstimmung mit dem Gesetz erteilt wird; ansonsten wird das statutarische Organ nicht von seiner Haftungsverpflichtung entbunden.
Die Entstehung des Schadens kann auch strafrechtliche Folgen haben, obwohl dies mitunter absurd erscheinen kann. Gemäß den bisherigen Beschlüssen des Obersten Gerichtshofs wurde der Geschäftsführer und gleichzeitig alleinige Gesellschafter, der das Vermögen der Gesellschaft absichtlich gemindert hat, nicht straffällig, wenn er in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften und dem Gesellschaftsvertrag, z.B. aufgrund seiner eigenen Weisung gehandelt hat, auch wenn diese Weisung die gesetzlich festgesetzten formalen Anforderungen nicht erfüllte. Ähnlich wie bei einer Aktiengesellschaft ist es bei einer GmbH nunmehr nicht möglich, die Gesellschaft mit ihrem Gesellschafter zu identifizieren, obwohl sich der Gesellschafter im Falle der Entstehung eines Schadens faktisch selbst schadet. Deshalb kann sich der Geschäftsführer als Verursacher eines solchen Schadens zweifellos strafbar machen; gleichermaßen können ihm alle Schadensersatzleistungen auferlegt werden, zu denen er innerhalb der GmbH verpflichtet ist.
Kaufmännische Mahnung als Erpressung?
Rechtsanwälte, die mit der Rechtslage bei Erpressungen vertraut sind, gingen bisher bei der Formulierung von Mahnungen an Gegenparteien sehr sorgfältig vor, besonders, wenn diese Hinweise auf eine Klage oder Strafanzeige bei Nichterfüllung enthielten. Denn solche Mahnungen konnten als Tatbestand der Erpressung gewertet werden. Die Androhung einer Anzeige ohne Rücksicht darauf, ob eine Straftat vorliegt oder nicht, fiel zusätzlich negativ ins Gewicht.
Solche absurden Schlüsse gelten nun korrekterweise als überholt und werden nicht länger als Erpressung angesehen. Trotzdem ist Vorsicht geboten, denn unter außerordentlichen Umständen oder im Falle der Geltendmachung fiktiver Forderungen kann dies immer noch als Erpressung angesehen werden. Eine widerrechtliche Drohung kann außerdem nach Ermessen des Obersten Gerichtshofs die Unwirksamkeit der Rechtshandlung zur Folge haben, die unter ihrem Einfluss abgeschlossen wurde. Bei berechtigter Androhung rechtlicher Schritte ist dies jedoch nicht der Fall.
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