Rechtsanwälte aus Prag ECOVIS ježek zur neu eingeführten Strafbarkeit juristischer Personen in Tschechien – Straftaten, Sanktionen, internationale Zusammenhänge...
Prag, 27.3.2012
Am 01.01.2012 trat das Gesetz über die Strafbarkeit juristischer Personen und Verfahren gegen diese in Kraft. Obwohl es sich um ein ziemlich kontroverses Gesetz handelt, das die bewährten Prinzipien des Strafrechts aufgibt, war die Tschechische Republik bis Ende des Jahres 2011 einer von wenigen EU-Staaten, der die Strafbarkeit juristischer Personen in seiner Rechtsordnung nicht verankert hat. Das Parlament wurde zur Verabschiedung dieses Gesetzes einerseits von der internationalen Gemeinschaft gezwungen, die „wirksame, angemessene und abschreckende" Sanktionen für den Fall der Verletzung des Gesetzes durch juristische Person verlangte, andererseits war es die steigende reale Macht der Körperschaften und der Aufschwung ihrer gesetzwidrigen Aktivitäten.
Die Verabschiedung des tschechischen Gesetzes über die Strafbarkeit juristischer Personen wurde schon im Jahr 2004 beabsichtigt, der Entwurf wurde damals jedoch beim ersten Lesen in der Abgeordnetenkammer vom Tisch gefegt. Neuerlich begann man über dieses Gesetz zu diskutieren, als es zu einem der Punkte des Koalitionsvertrags zwischen ODS, TOP 09 und VV geworden war. Wie im Motivbericht zu diesem Gesetz steht: „Die Tschechische Republik ist also der letzte EU-Mitgliedsstaat, der die Strafbarkeit juristischer Personen für solche Handlungen, zu deren Sanktionierung die EGÜEU-Rechtsvorschriften verpflichten, nicht eingeführt hat." Das Gesetz wurde wahrscheinlich hauptsächlich dank der Koalitionskohäsion verabschiedet, da bei näherer Betrachtung viele Unklarheiten ersichtlich waren, auf die der Präsident der Republik mit seinem Veto aufmerksam gemacht hatte.
Das Institut der Strafbarkeit juristischer Personen wurde in einem gesonderten tschechischen Gesetz verankert (Nr. 418/2011), wobei die subsidiäre Anwendung des tschechischen Strafgesetzbuches und der tschechischen Strafprozessordnung festgesetzt wird. Problematisch ist - und darauf macht die überwiegende Mehrheit der Gegner der Einführung dieses Instituts aufmerksam - dass das tschechische Strafrecht auf dem Prinzip der individuellen Strafbarkeit beruht. Die Strafbarkeit juristischer Personen in der Tschechischen Republik führt jedoch die kollektive Schuld ein, das bedeutet, dass auch unschuldige Leute bestraft werden, also auch diejenigen, die keine strafbare Handlung begangen haben (z.B. die Arbeitnehmer durch den Verlust der Beschäftigung, die Gläubiger durch die Liquidation der Gesellschaft). Eine juristische Person kann auch dann bestraft werden, wenn es nicht gelingt, einen konkreten Täter zu finden. Mit den Worten des Gesetzes - die Strafbarkeit natürlicher Personen in Tschechien bleibt von der Strafbarkeit der juristischen Person unberührt und umgekehrt.
Das Gesetz bestraft das rechtswidrige Verhalten aller juristischen Personen, mit Ausnahme der Tschechischen Republik (und also auch der Organisationseinheiten des Staates) und der territorialen Selbstverwaltungseinheiten bei der Wahrnehmung der öffentlichen Gewalt. Die Herausnahme der Tschechischen Republik als einer juristischen Person sui generis aus dem Wirkungsbereich dieses Gesetzes ist völlig legitim, der Staat kann sich selbst nicht bestrafen, der Staat kann sich nicht auflösen, die Strafe des Vermögensverfalls würde ihre Wirkung völlig verfehlen (das Vermögen würde hier dem Bestraften verfallen), genauso absurd würde auch die Anwendung der weiteren Strafen ausfallen. Der Wirkungsbereich des Gesetzes wurde also sehr breit festgesetzt, wobei der Vermögensanteil des Staates, des Landkreises oder der Gemeinde die Strafbarkeit juristischer Personen nicht ausschließt.
Das Gesetz zählt abschließend fast 80 strafbare Handlungen auf, für die juristische Personen in Tschechien verantwortlich sein könnten, wobei die einzelnen Tatbestände durch das Strafgesetzbuch im Einzelnen geregelt sind. In dieser Aufzählung sind überwiegend Vermögensstraftaten, wirtschaftliche Straftaten und Umweltstraftaten enthalten. Tschechische juristische Personen können logischerweise nicht für Straftaten gegen Leben und Gesundheit, Straftaten gegen die Wehrpflicht oder Straftaten gegen die Militärpflicht bestraft werden. Im Gesetz werden allerdings auch solche Straftaten aufgezählt, bei denen die Überlegung, ob eine juristische Person überhaupt imstande sein kann, solche Straftaten zu begehen, völlig angebracht ist. Es handelt sich z.B. um sexuelle Nötigung oder sexuellen Missbrauch, wo die Anwendung der kollektiven Schuld völlig fatale Folgen für die Konzeption des Strafrechts, die im Sinne der kontinentalen Rechtskultur aufgebaut wurde, haben könnte, die verantwortliche natürliche Person könnte sich hinter der juristischen Person verstecken und sich in dieser Weise vor der individuellen Bestrafung schützen, was in diesen Fällen gänzlich unzulässig ist. Interessant ist auch das Institut der wirksamen Reue - die strafrechtliche Verfolgung der juristischen Person erlischt, wenn sie auf weitere rechtswidrige Handlung freiwillig verzichtet.
Eine juristische Person ist mit Rechtssubjektivität ausgestattet, sie ist zur Vornahme von Rechtshandlungen befähigt, sie hat Aktivlegitimation und Deliktfähigkeit. Wir müssen uns jedoch dessen bewusst sein, dass sie trotzdem bloß ein Rechtskonstrukt ist. Das Gesetz spricht deshalb über die „Zurechenbarkeit" der Straftat einer juristischen Person. Die juristische Person begeht in Tschechien eine Straftat, wenn diese Handlung in ihrem Namen oder in ihrem Interesse oder im Rahmen ihrer Tätigkeit begangen wurde und wenn in dieser Weise das statutarische Organ, ggf. das Mitglied des statutarischen Organs, derjenige, der bei dieser juristischen Person die Leitungs- oder Kontrolltätigkeit ausübt, derjenige, der auf die Leitung dieser juristischen Person den entscheidenden Einfluss hat (also tatsächlichen Einfluss, solchen, der sich aus der Rechtsstellung nicht ergibt), aber auch der Arbeitnehmer in bestimmten Fällen gehandelt hat.
Der Gesetzgeber ist also sowohl bei der Abgrenzung der strafbaren Handlungen, als auch bei der Festsetzung der möglichen Strafen sehr großzügig vorgegangen. Einer juristischen Person können in der Tschechischen Republik insgesamt 8 Strafen auferlegt werden - von der Auflösung der juristischen Person, über Vermögensverfall, Geldstrafe, Verfall der Sache oder eines anderen Vermögenswerts, Tätigkeitsverbot, Verbot der Erfüllung von öffentlichen Aufträgen und Verbot der Annahme von Zuwendungen und Subventionen, bis zur Veröffentlichung des Urteils in öffentlichen Medien auf Kosten der juristischen Person - und eine Schutzmaßnahme, die in der Beschlagnahme der Sache oder eines anderen Vermögenswerts besteht, wobei die Strafen und Schutzmaßnahmen entweder selbständig oder neben sich auferlegt werden können. Aus dem Motivbericht ergibt sich, dass die Geldstrafe am häufigsten verwendet werden soll. Das hängt mit der Zahlungsfähigkeit der juristischen Personen und mit der möglichen höheren Geldstrafe zusammen, die dem Schaden gleichkommt, den die juristische Person bei der Begehung der Straftat zugefügt hat.
Im Hinblick darauf, dass das Gesetz über die Strafbarkeit juristischer Personen und Verfahren gegen diese nur wenige Monate in Kraft ist, kann man nur schwer voraussehen, in welche Richtung sich diese Neuerung begeben wird. Das hängt sicherlich von der Geschicklichkeit der tschechischen Rechtsanwälte, dem Wohlwollen der Richter und der Strenge der Staatsanwälte ab. Die hauptsächlich vage Formulierung der Zurechenbarkeit der Straftat der juristischen Person oder Unklarheiten hinsichtlich des Verfahrens gegenüber den juristischen Personen in Tschechien (hauptsächlich die Fragen in Bezug auf ihre Auflösung, ihr Erlöschen oder ihre Umwandlung im Rahmen des Strafverfahrens) ermöglichen eine große Menge an Strafanzeigen gegen juristische Personen. Nur die zukünftige Entwicklung zeigt, ob sich die Befürchtungen des tschechischen Präsidenten in Bezug auf das neue Gesetz erfüllen oder nicht. Die juristischen Personen in der Tschechischen Republik sollten sich aber sicherlich dem Prozess der Beurteilung der Risiken unterziehen und Vorbeugungsmaßnahmen einführen, es wird nämlich ziemlich riskant, unzuverlässige Personen zu beschäftigen.
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